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Erfahrungsbericht: Olaf Meyer "Mein Weg zum 1. Dan"

Vor 10 Jahren musste ich meinen alten Sport aufgegeben und suchte mir etwas Neues. Da ich als Kind bereits vom Kendo gehört hatte, was mich sehr faszinierte, suchte ich nach Möglichkeiten. Zum Glück hatte ich einen Arbeitskollegen, der bereits Kendo praktiziert, den ich nach Trainingsterminen fragen konnte. So kam ich dann eines Tages zu meinem ersten Probetraining.

Obwohl ich noch in T-Shirt und Trainingshose, mit einem geliehenen Shinai (Bambus-Schwert) in der Hand begann, war ich begeistert über das, was die anderen Kendoka in ihren blauen Rüstungen übten. Es war laut in der Halle, weil jeder sein Kiai herausschrie und es knallte, wenn die Shinai aufeinanderschlugen oder den Gegner trafen. Klar, für mich gab es „nur“ die ersten Schlag- und Schritttechniken, aber die Begeisterung für diesen Sport war sofort da. 

Folglich trat ich dem VfL Tegel bei und meldete mich fest zum Kendo an. Somit ging ich dann zwei Mal pro Woche zum Training und lernte und übte. Frei nach dem Motto „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“, lernte ich so die korrekte Körperhaltung, Lauftechnik und natürlich Schlagtechnik.

Nach weniger als einem halben Jahr ging ich dann sogar zur Prüfung für den 6. Kyu, was den niedrigste Schülergrad darstellt. Zusammen mit anderen Anfängern rechneten wir schon aus, wann wir die Prüfung zum 1. Dan machen könnten. Bereits drei Monate später konnte ich den 5. Kyu und nochmal sechs Monate später den 4. Kyu bestehen. 

Leider machte dann das Arbeits- und Privatleben einen Strich durch die Rechnung. Dienstreisen und Familientermine verhinderten die regelmäßige Teilnahme am Training.

Zum Glück ging diese Phase vor geraumer Zeit zu Ende, so dass der Traum vom 1. Dan wieder angegangen werden konnte. So wurde wieder fleißig trainiert, an Wettkämpfen teilgenommen und natürlich auch an der Kata gefeilt. Die Kata ist eine förmliche Übung, bei der Schläge ausgeführt werden, ohne den Kata-Partner zu treffen. Es kommt vielmehr auf das richtige Timing, die Haltung und das Zusammenspiel der beiden Teilnehmer an. 

Die Monate verstrichen und stückchenweise konnten die Prüfungen zum 3., 2. und 1. Kyu bestanden werden. Alles waren aufregende Prüfungen, doch der 1.Dan ist nochmal etwas anderes. Diese Prüfung kann man auch nicht „mal eben“ im eigenen Verein oder nach einem Wettkampf ablegen. Nein, man muss sein Können anonym vor einer offiziellen Prüfungskommission beweisen. 

Aufgrund der notwendigen Wartezeit von einem Jahr Abstand zur letzten Prüfung, gab es für mich als erstes das Wintertraining Kangeiko 2023, welches vom Deutschen Kendobund in Lindow veranstaltet wird. Hierbei treffen sich Kendoka aus ganz Deutschland und auch dem Ausland, um an 4 Tagen Kendo zu üben. Das Ganze findet mit hochgraduierten (7. und 8. Dan) Trainern aus Japan statt. Als Krönung des Trainingslagers können die Prüfungen zum 1. bis 5. Dan abgenommen werden.

Im Vorfeld zum Lehrgang, zu dem sich 195 Teilnehmer angemeldet hatten, wurde im heimischen Verein fleißig trainiert. Jede kleine Bewegung wurde besprochen, immer wieder wiederholt, bis unsere Sensei (Trainer) zufrieden waren. Die Nervosität und Aufregung wurde größer, je näher das Wintertraining kam, an ein Absagen wurde nicht gedacht.

Beim Kangeiko angekommen, stieg die Aufregung von Tag zu Tag. Auch wenn die Trainingseinheiten, die bereits morgens um 06:30 Uhr begannen, viel Kraft und Zeit nahmen, so blieb doch immer noch genügend Energie um die Prüfungsabläufe durchzugehen. Schließlich sollte alles sitzen.

Apropos sitzen, natürlich gehört es auch zum Prüfungsumfang, dass die Kleidung und Rüstung korrekt ausgestattet und angelegt ist. Bänder, die zum Befestigen des Helmes oder des Brustschutzes genutzt werden, dürfen nicht zu lang, nicht zu kurz oder ungleich gebunden werden. Selbst verschwitzte oder verschmutzte Kleidung wird zu einer Prüfung nicht geduldet. Nur durch die eigene Gedankenwelt erhöhte sich die Anspannung von Tag zu Tag, je näher die Prüfung kam.

Dann war es endlich so weit. Am Nachmittag des dritten Tages wurden Tische und Stühle für die Prüfer in die Halle gestellt. Weiße Decken wurden aufgezogen und auffällig viele Personen mit Anzug und Krawatte liefen bereits umher, was sie als Prüfer auszeichnet.

Als Prüfungsteilnehmer war es nun für uns an der Reihe, das Namensschild an der Rüstung durch eine Nummer auszutauschen, damit die Prüfer einen anonymen Prüfling bewerten müssen.
Die Halle wurde in drei Bereiche eingeteilt, je nach Graduierung der Prüfung.

In meinem Bereich sammelten sich die Prüflinge zum 1. Dan. Diese waren durch die Trainingstage im Vorfeld nicht mehr unbekannt, da wir doch schon einige Übungen zusammen absolviert hatten. Auch für die Prüfung wurde über die Mittagszeit nochmal schnell geübt. Schließlich war uns nur bekannt, dass wir die Prüfung zusammen angehen, wer aber nachher mit wem die Übungen vorzeigen muss, blieb bis zum Beginn der Prüfung unbekannt.

Der erste Teil der Prüfung begann in kompletter Rüstung. Also hieß es, diese als erstes korrekt anzulegen. Schnell wurde bei dem einen oder anderen nochmal nachgesehen ob die Bänder alle richtig sitzen und kein Zipfel aus der Kleidung herausragt.
Voller Anspannung, aber trotzdem locker in den Gelenken ging es an die erste Übung. Das so genannte Men-Kirikaeshi (seitliches Schlagen in Richtung der rechten und linken Kopf-Trefferfläche mit gleichzeitigem Vorwärts- und Rückwärtslaufen) mit darauffolgendem Kakari-Geiko (Angriffsschläge mit eigenständigem Freimachen der Trefferzonen) musste demonstriert werden. Nach einem tiefen Atemzug mit darauffolgendem Kiai wurden die Schläge so durchgeführt, wie wir es schon tausendmal im Training geübt hatten. Auch die hiernach folgende Angriffsübung wurde mit Körperspannung, gerader Haltung und Energie durchgezogen, solange bis ein Prüfer ein Zeichen zur Beendigung der Übung gab. Puh, das war anstrengend. Ob es gereicht hat oder nicht, lag in der Hand der Prüfer. Kommentare oder freundliches Zunicken gab es nicht. Alle mussten warten, bis der letzte an der Reihe war und das Ergebnis von der Prüfungskommission bekannt gegeben wurde. 

Nach kurzer Wartezeit kam endlich die Liste mit Nummern der Teilnehmer, die den ersten Prüfungsteil bestanden hatten. Ja, meine Nummer war aufgeführt, somit hatte ich den ersten Teil bestanden und war somit für den zweiten Teil zugelassen. Also, Rüstung aus und das Holzschwert (Bokuto) in die Hand genommen, denn es musste nun die Kata gezeigt werden. Der Atem hatte sich wieder gefangen, aber Ruhe war im Körper noch nicht eingekehrt. Die Aufstellung aller Prüflinge wurde erklärt, denn dieser Teil wird immer paarweise mit allen gleichzeitig durchgeführt.

Zum Glück war mir mein Kata-Partner bekannt, hatten wir doch am Vormittag noch zusammen geübt. Hierdurch viel es uns leicht, die 5 Formen der unterschiedlichen Schlagabläufe korrekt darzubieten.

Nachdem auch dieser Teil beendet war, musste wieder auf das Prüfungsergebnis gewartet werden. Statt einer Liste kam jetzt aber ein Prüfer herüber und beglückwünschte uns, weil auch dieser Teil bestanden war. Die Anspannung wandelte sich schlagartig in Freude, die mit den anderen bestandenen Prüfungsteilnehmern geteilt wurde. Leider hatten nicht alle bestanden.

Am Abend gab es eine Sayonara-Party, bei der alle erfolgreichen Prüflinge genannt wurden. Jeder durfte sich seine Urkunde zur bestandenen Prüfung abholen. Somit ist es jetzt offiziell, ich habe meinen 1. Dan im Kendo.

 

Olaf Meyer, 1. Dan Kendo